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   Letzte Aktualisierung: 11.02.2011
 
 
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DIE KOMMUNALE BAUMSCHUTZVERORDNUNG

Eine kritische Betrachtung

Quelle: Bayrische Gemeindetagszeitung, Verfasser Dipl.Ing. Heinrich Ring

Nicht biologisch gedacht, sondern statisch
Für jeden absterbenden Baum ein Verwaltungsakt
Unstimmigkeit zwischen der Leistung eines Baumbesitzers für die Allgemeinheit und seine Behandlung durch diese.
Ungleichbehandlung bei Neubebauung von Grundstücken
Verhindert eine BSchV. die mutwillige Abholzung von Grundstücken durch Spekulanten ?
Die moralische Berechtigung der BSchV. darf generell bezweifelt werden.
Ideologie der BSchV.
Vergleich von Gemeinden und Städten mit und ohne Baumschutzverordnung
Beratung statt Bevormundung
Zusammenfassung


Sobald ein Stadt- oder Gemeinderat eine Baumschutzverordnung (BSchV) erlässt, erfolgt damit auch ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf Besitz und Eigentum der Bürger.

Denn diese können nun, sofern sie ältere Bäume im Garten stehen haben, nicht mehr selbst über Gestaltung und Aussehen ihres Grundstückes entscheiden. Es wird ihnen mit der Baumschutzverordnung die Freiheit genommen, mit den eigenen Bäumen so zu verfahren, wie sie es für richtig halten. Diese Einschränkung wird aus der Sicht der Befürworter der Verordnung in bester Absicht verhängt. So steht doch in den Begründungen der Verordnungen meist, dass der Schutzzweck die Erhaltung der örtlichen Baumbestände ist, die langfristige Sicherung der Stadtdurchgrünung und des Charakters einer Gartenstadt usw. usw.

Das hört sich doch gut an, wer kann gegen solche Ziele etwas haben? Betrachtet man die Auswirkungen einer solchen BSchV. aber etwas näher, stellt sich sehr schnell die grundsätzliche Fragwürdigkeit dieser behördlichen Baumschutzidee dar. Nicht die Fragwürdigkeit des Baumschutzes in den Köpfen und Herzen der Menschen, sondern des reglementierten verordneten Baumschutzes. Hierzu folgende Überlegungen:

top Nicht biologisch gedacht, sondern statisch

Die Baumschutzverordnungen sind alle so gefasst, dass es in einem durch Plan oder Text definierten Gebiet bei Strafe verboten ist, Bäume, die über einen bestimmten Stammumfang hinausgewachsen sind (meist 80 bis 100 cm) ohne Erlaubnis der Kommune zu fällen.

Die unter diesem Maß liegenden jüngeren und dünneren Bäume dürfen ohne Genehmigung beseitigt werden. Die meisten Gründstücksbesitzer nutzen diese Regelung und lassen keine Jungbäume mehr aufkommen, oder schneiden sie ab, bevor sie in die maßgebliche Stammstärke hineinwachsen. So schützen die BSchV. also nur die größeren Bäume und achten, wenn auch ungewollt, nicht auf den Nachwuchs, der für die Zukunft so wichtig ist.

Längerfristig kommt es so zu einer Überalterung des privaten Baumbestandes, es fehlt der nötige Nachwuchs und die wichtige mittlere Baumgeneration. Das biologische Ideal der Forstleute ist der vielstufig aufgebaute Wald, in dem alle Altersstufen und Baumarten nebeneinander und miteinander den Gesamtbestand bilden. Ein so aufgebauter Wald ist am besten gefeit gegen Schädigungen aller Art, seien es Sturm, Hagel, Dürre oder Insektenbefall. Dieses forstliche, aber auch demographische Modell der gesunden Alterspyramide muss auch für die innerstädtischen Baumbestände angewendet werden. Ein Baumschutz, der nicht das Werden und Vergehen berücksichtigt, sondern statisch am Altbestand hängt, führt zwangsläufig zu überalterten Baumbeständen mit allen negativen Folgen wie katastrophaler Bruchgefahr und immens erhöhten Pflege- und Fällungskosten.

Die BSchV. sind am Muster des Denkmalschutzes orientiert und gehen naiv von der Bewahrung eines statischen Zustandes aus. Die Bäume sollen so bleiben wie sie sind! Nicht berücksichtigt ist die natürliche Dynamik. Dass ein Baum wächst, so lange er lebt, dass er jedes Jahr ca. 0,5 m höher und breiter wird, dass er dadurch immer schwerer (oft mehrere Tonnen) und windanfälliger wird, dass die Verankerungskräfte des Wurzelwerkes aus verschiedenen Gründen gleichzeitig schwächer werden, all diese Tatsachen sind ausgeblendet.

top Für jeden absterbenden Baum ein Verwaltungsakt

Man muss sich vor Augen halten, dass in einer Stadt oder Gemeinde hunderte oder gar tausende von Bäumen in den privaten Gärten stehen. Alle diese Bäume werden, wie es die Natur zwingend festlegt, eines Tages krank, schwach und brüchig. Aus Haftungsgründen und Fürsorgepflicht darf kein Baumbesitzer zusehen, bis seine Bäume von selbst absterben oder gar umfallen. Er ist zu Recht gezwungen, den Schadensfall zu vermeiden und den Baum vorher zu fällen. Bei Bestehen einer BSchV. darf der Eigentümer des Baumes dies aber nicht selbst beschließen, zwingend hat er einen Fällungsantrag an die Verwaltung zu stellen.

So wird aus einem völlig natürlichen Ablauf, dem Altern und Sterben eines Baumes, ein erlaubnispflichtiger Verwaltungsakt gemacht, für den dem Antragsteller eine Gebühr in Rechnung gestellt wird.

Wenn die Gemeinde- oder Stadtverwaltung, die den Fällungsantrag zu bearbeiten hat, aber eine vom Eigentümer abweichende Meinung über den Gesundheitszustand des jeweiligen Baumes vertritt und dem Fällungsantrag nicht zustimmt (was gar nicht selten vorkommt), dann bleibt dem Baumbesitzer nichts anderes übrig als auch auf seine Kosten einen Gutachter und einen Rechtsanwalt einzuschalten.

top Unstimmigkeit zwischen der Leistung eines Baumbesitzers für die Allgemeinheit und seine Behandlung durch diese.

Wie in der Einleitung beschrieben sind die BSchV. meist damit begründet, dass der Schutz der Bäume wichtig ist für das Stadt- und Gemeindebild, dass von den Bäumen Wohlfahrtswirkungen (klimatisch, optisch, akustisch usw.) ausgehen und dem Naturschutz durch den Erhalt der Bäume ganz allgemein Rechnung getragen wird. Der Eigentümer eines Baumes liefert also, von außen besehen, mit seinem Baum all die von der Allgemeinheit geschätzten Wohlfahrtswirkungen. Indem er den Baum pflanzt, auf andere Nutzung der Bodenfläche verzichtet, den Baum immer wieder auf seinen Gesundheitszustand überprüft, sich speziell gegen Baumschäden haftpflichtversichert usw. trägt er als Eigentümer die Kosten der gewünschten Wohlfahrtswirkungen. Wenn der Baum nun eines Tages beginnt abzusterben oder auch nur in Teilen brüchig zu werden, ist der Eigentümer - wie in Punkt 2 beschrieben - gezwungen, den Baum pflegen oder fällen zu lassen und zu diesen Kosten auch die damit verbundenen Gebühren zu berappen. All diese Ausgaben trägt wieder der Eigentümer des Baumes und nicht die Allgemeinheit, die davon jahrzehntelang profitiert hat. Wird hier die Sozialbindung des Eigentums nicht überschritten? In den meisten BSchV. ist vorgesehen, dass die Verwaltung bei Erteilung einer Fällungsgenehmigung, Ersatzpflanzungen von Bäumen oder Geldzahlungen zur Auflage macht. Der Besitzer des zu fällenden Baumes soll über seine eigenen Kosten hinaus auch noch gezwungen werden, den "Schaden", den er der Allgemeinheit zufügt, auszugleichen und wieder gut zu machen. Hinter dieser Handlungsweise steckt unverblümt die Auffassung, dass der Besitzer eines zu fällenden Baumes generell als Täter zu sehen ist. In der Tat, eine recht emotionale Sichtweise.

top Ungleichbehandlung bei Neubebauung von Grundstücken

Eine stark unterschiedliche Behandlung durch die Kommune erfahren in der Regel einfache Fällungsanträge und Fällungsanträge, die mit Neubaumaßnahmen auf baumbestandenen Grundstücken verbunden sind. Lässt ein Eigentümer sein Grundstück wie es ist, bewohnt ein älteres Haus und hat Bäume im Garten, werden ihm bei Fällungsabsichten fast durchwegs Schwierigkeiten gemacht. Wenn er auf die vermessene Idee kommt, die Abendsonne genießen zu wollen, plötzlich eine Solaranlage zu betreiben, den Blick auf See und Gebirge frei zu haben oder ihm ganz schlicht das Laub in der Dachrinne zu viel wird, muss er stark mit der Ablehnung seines Antrages rechnen. Seine subjektiven Bedürfnisse werden in der Abwägung mit dem in Punkt 1 und 2 beschriebenen Wohlfahrtswirkungen als ärgerlich und insgeheim unbegründet angesehen. Soll das gleiche Grundstück aber neu und stärker überbaut werden, machen Städte und Gemeinden bei den notwendigen Baumfällungen keine Probleme.

Die Gründe hierfür sind:

Die Kommune befürchtet schadenersatzpflichtig zu werden, wenn das bestehende Baurecht wegen der Bäume geschmälert oder behindert würde.

Der Vorgang der Neubebauung wird generell mit dem Nimbus des Modernen und Fortschrittlichen verbunden, das den Wert des Bestehenden überwiegt.

So kommen die sonst üblichen Bedenken erst gar nicht auf oder werden wohlwollend untergeordnet. Psychologisch spielen beim Genehmigungsverfahren auch die Baupläne eine wichtige Rolle. Es gilt die Faustregel, je bunter, schöner und größer der Gartenplan und die zukünftigen Baumpflanzungen, um so lieber wird den vorausgehenden Fällungen zugestimmt.

In größeren Städten ist aber auch zu beobachten, dass versucht wird, einen besonderen Weg zu gehen, nämlich die neu geplante große Baumasse zu errichten und gleichzeitig durch bautechnische Auflagen den Altbaumbestand zu erhalten. Der Bauherr hat hierbei mit enormem Arbeits- und Kostenaufwand die Bäume unmittelbar neben der Baustelle zu sichern. Er hat Schutzzäune zu errichten, Bewässerungs- und Belüftungsanlagen anzulegen, Spundwände zu schlagen, Wurzelvorhänge und Sicherungsvertäuungen vorzunehmen. Diese Maßnahmen haben meist keinen anderen Effekt, als dass die Bäume noch einige Jahre dahinvegetieren, bis sie endgültig eingehen und durch Neupflanzungen ersetzt werden müssen. Dieser Weg wird bei großen innerstädtischen Vorhaben gewählt, hier nutzen die Verwaltungen die Gelegenheit, dem Bürger die unbedingte Fürsorge für die grüne Umwelt zu demonstrieren.

top Verhindert eine BSchV. die mutwillige Abholzung von Grundstücken durch Spekulanten ?

Dieses Argument wird immer wieder als Begründung für den Erlass von BSchV. angeführt. Den Spekulanten soll das Handwerk gelegt werden! Wir leben aber nicht in einem Land, in dem Bauplätze durch Rodung gewonnen werden können. Der schlichteste Spekulant weiß, dass ein Bauantrag nur Aussicht auf Erfolg hat, wenn eine ganze Kette von rechtlichen Voraussetzungen gegeben ist. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind kann auch eine BSchV. die Verwirklichung des Baurechts nicht verhindern. Die Abholzung eines baumbestandenen Grundstückes, das rechtlich gesehen Bauland ist, muss durch die Öffentlichkeit ertragen werden. Es ist unrecht, den Eigentümer als Spekulanten und Naturzerstörer zu diffamieren. Eigennützige Nachbarn und überschäumende Naturschützer sind hier in der Regel gleich bei der Sache. Die Behördenvertreter trauen sich in solchen Fällen meist nicht auszusprechen, dass der Eigentümer rechtmäßig handelt, da sie fürchten, dann auch als Umweltfrevler zu gelten. So kommt es unter Umständen zu absurden Theatervorstellungen für die Presse.

top Die moralische Berechtigung der BSchV. darf generell bezweifelt werden.

Haus- und Grundbesitzer lassen seit alters her Bäume auf ihren Grundstücken wachsen. Gründe hierfür sind: Dass sie die Bäume schön finden, ihrem Besitz ein individuelles Erscheinungsbild geben wollen, räumliche Trennung vom Nachbargrundstück erreichen wollen, den Gegensatz von Licht und Schatten genießen möchten usw. Diese Wünsche werden weiterhin bestehen, sie sind letztlich menschliche Idealvorstellungen vom Garten und ein wenig vom Paradies auf Erden. Wie viel Baumbestand in den Privatgärten einer Stadt zu stehen hat und durch die Eigentümer gepflegt wird muss in einem freien demokratischen Land den Bürgern überlassen sein. Sollte z.B. durch die heute hohen Grundstückspreise verursachte engere Bebauung und die kleineren Grundstücksgrößen nicht mehr so viel Baumbestand in den Siedlungen wachsen können wie früher, so ist auch dies als logische Folge zu akzeptieren, ebenso wie individuell oder allgemein gewandelte Schönheitsvorstellungen.

top Ideologie der BSchV.

Neben den nicht zu bezweifelnden Gründen der allgemeinen Wohlfahrtswirkungen, die von den Baumbeständen in den Gärten auf ein Stadt- oder Dorfbild ausgehen, steckt doch hinter so einer Verordnung auch die wütend optimistische Idee der Naturrettung auf den Grundstücken derer, die noch einen Garten haben. Die hemmungslose Unterwerfung der Natur durch die ständig fortschreitende Überbauung des Bodens in allen Bereichen der Urbanisation wird als Sachzwang gesehen und akzeptiert. Als erreichbarer Ausgleich dazu soll denen, die ihren Garten noch nicht zugebaut haben, die strikte Erhaltung ihrer Bäume vorgeschrieben sein.

Für die Ortspolitiker hat diese Sichtweise den Vorzug, einerseits progressiv wachstumsfreundlich auftreten zu können und andererseits die schützende Hand über die so emotional gesehenen Bäume halten zu können. Aus diesem Grunde sind sie häufig die eifrigsten Befürworter solcher Verordnungen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beifall derjenigen gesichert ist, die keinen eigenen Baum besitzen.

top Vergleich von Gemeinden und Städten mit und ohne Baumschutzverordnung

Die rechtliche Möglichkeit für Städte und Gemeinden eine BSchV. zu erlassen, besteht in Bayern seit der Einführung des Naturschutzgesetzes von 1973. Sicher gibt es Kommunen, die nun schon 20 Jahre oder länger eine BSchV. haben. Wenn das Bestehen einer solchen so eminent wichtig wäre, wie deren Befürworter behaupten, so müsste man ja beim Durchfahren verschiedener Städte und Gemeinden auch sogleich sehen können, ob hier mit oder ohne Verordnung gelebt wird. Der vorhandene bzw. nicht vorhandene Baumbestand in den Gärten müsste klar darüber Auskunft geben. Dass dies auf keinen Fall so ist wird jeder Betrachter bestätigen müssen. Es ist auch die schärfste BSchV. nicht am Ortsbild abzulesen und es ist auch nicht zu erkennen, wenn Politiker und Bürger den Bäumen gleichgültig gegenüber stehen. Die Sache nivelliert sich durch die Bürger alleine ein und bedarf keiner Reglementierung. Von wesentlich größerer Bedeutung für das Ortsbild ist das Verhalten der Gemeinde- oder Stadtverwaltung selbst. An der Bepflanzung, den Baumbeständen auf den öffentlichen Flächen und Straßenbegleitgrün, ist sofort zu sehen, wie wichtig die Bäume hier genommen werden.

top Beratung statt Bevormundung

Anstatt den Bürgern unnötig Vorschriften zu machen, die Bürokratie im Rathaus aufzublähen und Stadtratssitzungen zu verlängern, sollte wieder wie in den Jahrzehnten von 1950 bis ca. 1980 auf Beratung und baumfreundliche Stimmung gesetzt werden. Die Kreisfachberater für Gartenbau an den Landratsämtern und die örtlichen Gartenbauvereine haben jahrzehntelang in hervorragender Weise für Baumpflanzungen aller Art (Obst- und Zierbäume) im öffentlichen und privaten Bereich geworben. Oder die Pflanzarbeiten in gemeinschaftlichen Aktionen selbst durchgeführt. Vieles von heute 50 bis 60jährigem Baumbestand in den Gemeinden verdankt sein Dasein der damaligen Aktivität dieses Personenkreises. An die Tradition der Beratung, Werbung und Fachkenntnis sollte wieder angeknüpft werden.

top Zusammenfassung

Die beschriebenen Fragwürdigkeiten der Baumschutzverordnungen in rechtlicher, sozialer und biologischer Hinsicht sind so groß, dass sie einer objektiven Überprüfung nicht standhalten und auch mit dem Freiheitsverständnis unserer heutigen Gesellschaft nicht vereinbarlich sind. Insbesondere wenn man den Rückzug des Staates aus allen Kernbereichen der Daseinsvorsorge und die gleichzeitige Privatisierung aller nur denkbaren öffentlichen Aufgaben sieht. Die BSchV. sind zudem ein Relikt aus steuerlich guten Zeiten, in denen die öffentlichen Verwaltungen aufgebläht wurden, wie nie zuvor. Jetzt ist es höchste Zeit, zur Normalität zurück zu finden.

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